JUST AN EVERYDAY OBJECT, 29.5. – 14.6.2025
Vernissage
Do, 29.5.2025, 16:00-20:00
17:00 Listening Nathalie Rebholz (Joyfully Waiting)
18:00 Aktivation Abdellah M. Hassak
DDA-Genève setzt ihre Netzwerkarbeit fort bei einer Zusammenarbeit mit der KRONE COURONNE in Biel sowie mit den in Genf ansässigen Künstlerinnen Mabe Bethônico, Thomas Liu Le Lann, Lou Masduraud und Paul Paillet. Die Ausstellung Just an Everyday Object bietet eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Stellenwert der Edition in der Kunst, mit dem «Vielfachen» und Fragen der Reproduzierbarkeit. Gleichzeitig erweitert sie diese Reflexion um Überlegungen zum Status von Objekten – und insbesondere von Kunstobjekten. Untersucht werden Produktionssysteme, vielfältige Nutzungsformen, Zirkulation und die sich je nach Kontext wandelnden Bedeutungen, die Objekte annehmen können. Unter dem Titel Just an Everyday Object beleuchtet die Ausstellung das Verhältnis zwischen dem Kunstobjekt, dem privaten bzw. häuslichen Raum und dem Alltag – insbesondere durch seine Nähe zu Ornamentik, Werkzeug und Handwerk. Zugleich wird hinterfragt, wie scheinbar gewöhnliche Gegenstände – etwa im Alltag getragener Schmuck, tragbare Objekte, Accessoires oder Instrumente – zu Erweiterungen des Selbst und zu Mitteln der Repräsentation werden können. Sie hinterfragt auch, wie scheinbar gewöhnliche Gegenstände – im Alltag getragener Schmuck, Gebrauchsobjekte, Möbelstücke, Accessoires – zu Erweiterungen des Selbst und zu Instrumenten der Repräsentation werden. Für die Ausstellung greifen die vier Künstlerinnen diese Überlegungen auf und präsentieren neue, von DDA-Genève herausgegebene Vervielfachungen, die jeweils neue Perspektiven eröffnen.
Die Arbeiten von Paul Paillet offenbaren subtile Anspielungen auf das Privatleben, das einen Teil des symbolischen Materials seiner Arbeiten ausmacht. Das Intime wird teils durch die Anspielung auf alltägliche Rituale, teils durch die Darstellung gewöhnlicher Objekte suggeriert, die als Erinnerungsträger fungieren. Für Just an Everyday Object realisiert der Künstler eine Serie von Siebdrucken: Nelson (Green) und Enora (Pink) zeigen flächige Grundrisse zeitgenössischer Sofas. Die Modelle (und Namen!) stammen aus Katalogen grosser Möbelhäuser und stehen im Kontrast zur feinen, experimentellen Handarbeit der Drucke, die mit einer auf Aluminiumpigmenten basierenden Tinte auf Papier hergestellt wurden.
Eine grosse Stoffrolle entfaltet sich in der Mitte des Raums. Interior 1 aus der Serie Soil Stories von Mabe Bethônico wird wie ein Textil aus der Kurzwarenabteilung präsentiert. Die gedruckten Muster folgen der repetitiven Logik der Textilindustrie, haben ihren Ursprung jedoch in einem Rechercheprojekt der Künstlerin über die Bodenschicht – auch Horizont O genannt – die für den Abbau, die Umwandlung und den Austausch organischer Substanz sowie für die Verbindung von Ökosystemen verantwortlich ist. Diese lebendige Schicht, die über den von Bergbauunternehmen ausgebeuteten Mineralschichten liegt, wird bei „Abtragungs“-Operationen zerstört. Das gedruckte Motiv zeigt eine abgestorbene Wurzel, basierend auf einem Linolschnitt; ihre Wiederholung bildet ein abstraktes, rhizomartiges Gitter. Während der Ausstellung wird der Stoff meterweise zugeschnitten und verkauft, wie in einer Kurzwarenhandlung. Durch diesen Akt des Schneidens und die Beteiligung des Publikums wird Bethônicos Werk zu einer Edition – bereit, Teil eines Interieurs zu werden.
Mit Count on me präsentiert Lou Masduraud eine Serie von Silberbroschen, die die Zahlen 0 bis 9 darstellen. Die Serie unterwandert die Idee des Vielfachen und seiner Reproduzierbarkeit durch ein Spiel mit der Nummerierung: Die Nummerierung selbst bildet das Werk. Gleichzeitig handelt es sich um eine Reflexion über das Kunstwerk als Ornament, über das Originale und das Einzigartige in Verbindung mit Schmuck sowie über die Dimension von Kostbarkeit und Einmaligkeit, die damit einhergeht.
Für seine Edition the first cut is the deepest lässt sich Thomas Liu Le Lann von Cuttern der Marke Supreme inspirieren – einer 1994 gegründeten New Yorker Modemarke, die sich ursprünglich an junge Skaterinnen und Künstlerinnen richtete. Der Titel der Edition bezieht sich auf das gleichnamige Lied von Cat Stevens aus dem Jahr 1967. Das kleine Schneidwerkzeug, das auf der Handfläche Platz findet, trägt die Inschrift TRUST ME auf der einziehbaren Klinge und verweist auf eine persönliche, fast intime Beziehung zu diesem scheinbar banalen Gebrauchsgegenstand.
*A cutter.
To open a box,
To slice a grip,
To sever anything lifeless, Or perhaps, to end it all.
Your Only Limit is Oblivion.
- Mabe Bethônico (*1966, lebt und arbeitet in Genf) ist eine brasilianische Künstlerin, Forscherin und Professorin. Sie lebt und arbeitet in Genf. In ihrer Arbeit befasst sie sich insbesondere mit der Geschichte des Bergbaus und dessen Folgen für Umwelt und Gesellschaft. Ihre Projekte untersuchen die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Transformationen, die durch extraktive Aktivitäten ausgelöst werden, und basieren auf Archivmaterial sowie Feldforschung. Bethônicos künstlerische Praxis umfasst eine Vielzahl von Werkzeugen und Dynamiken des Wissenstransfers. Daraus entstehen Werke in verschiedenen Medien wie Bücher, Plakate, Installationen, Objekte und Live-Präsentationen. In ihrer Arbeit interessiert sie sich für institutionelle Fragestellungen und die komplexen Prozesse der Konstruktion und Aktivierung von Erinnerung.
Thomas Liu Le Lann (1994, lebt und arbeitet in Genf) ist ein französischer Künstler. Er lebt und arbeitet in Genf. Er schafft Skulpturen und Installationen mit einer Vielzahl von Techniken und Materialien wie Stoff, Glas, Holz, Fotografie, Poesie und Fundstücken. Seine installativen Umgebungen reflektieren persönliche Lebenserfahrungen, geprägt von einem Spiel mit Subversion und Autofiktion. Die Objekte, die er verwendet, werden neu gedacht, in Maßstab und Material verändert und begegnen dabei oft „sanften Helden“ – Protagonistinnen mit menschlichen Zügen, die seine Ausstellungen lasziv bewohnen.
Lou Masduraud (*1990, lebt und arbeitet in Genf) interessiert sich für die Räume und Praktiken des kollektiven Lebens sowie für die Systeme, die diese ermöglichen. In ihren meist kontextuell entwickelten Installationen arbeitet sie mit den formellen und informellen Netzwerken menschlicher Aktivitäten. Die mehr oder weniger sichtbaren Infrastrukturen – Stromnetze, öffentliche Beleuchtung, Abwassersysteme, unterirdische Strukturen – die die Lebensflüsse der Stadt permanent pumpen und ableiten, werden zu Oberlichtern im Inneren des Stadtkörpers. Sie offenbaren die negativen Räume, die von den Infrastrukturen, Architekturen und Institutionen bewohnt werden, auf die unser Leben angewiesen ist. Indem sie konzeptuelle Skulptur, Installation und handwerkliches Know-how verbindet, schafft die Künstlerin phantasmagorische Welten als Alternativen zur vorherrschenden Realität und bietet mit der Erfahrung dieser Verwandlung des Alltags eine erste Form der Emanzipation.
Lou Masduraud zeigte ihre Arbeiten in Einzelausstellungen (MAMCO Genf, Kunsthaus Langenthal, Kunstraum Riehen, Institut Français Berlin, Ada project Rom, CAN Neuchâtel, La Maison Populaire Montreuil, BF15 Lyon) und Gruppenausstellungen in europäischen Institutionen (Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Centre d’Art Contemporain Genève, Villa Medici Rom, CRAC Alsace, MCBA Lausanne, CAPC Bordeaux, Fondation d’Entreprise Ricard, Kunsthaus Hamburg, Kunsthalle Basel, Biennale Lyon, Biennale Moskau u. v. m.). 2024 wurde sie mit dem Swiss Art Award ausgezeichnet, 2023 erhielt sie den Manor Kunstpreis des Kantons Genf.
Paul Paillet (*1986, lebt und arbeitet in Genf) arbeitet in den Medien Skulptur, Malerei, Sound und Video. In einem introspektiven Ansatz entwickelt er ein Werk, das seine Inspiration aus der Verdichtung von Konzepten wie Jugend, Determinismus und Krise schöpft, die er mit ökonomischen und politischen Phänomenen und Strategien konfrontiert. Seine Arbeiten wurden unter anderem im Centre d'édition contemporaine und in der Villa Bernasconi in Genf, bei den Swiss Art Awards 2023 in Basel sowie im Le Centquatre-Paris (104) gezeigt. Er hat ausserdem in verschiedenen Off-Spaces ausgestellt, darunter Standard/Deluxe in Lausanne, French Place in London und Espace 3353 in Genf. Paul Paillet hat zudem zahlreiche Ausstellungen in Marseille mit dem Kollektiv PostDisasterResidencies und im Non-Profit-Raum ÀDuplex in Genf kuratiert und mitorganisiert.
Documents d’artistes Genève (DDA-Genève) ist eine sich entwickelnde redaktionelle Plattform, die die Praxis von Künstlerinnen dokumentiert, die im Bereich der zeitgenössischen Kunst in Genf tätig sind. Die im Januar 2023 lancierte Plattform versteht sich als Werkzeug zur Entdeckung, Verbreitung und Recherche. Sie veröffentlicht regelmässig neue Künstlerinnen Dossiers, ergänzt durch redaktionelle Inhalte.
Die Ausstellung Just an Everyday Object wurde unterstützt von der Loterie Romande, der Stadt Genf, der Inarema Stiftung, der Burgauer Stiftung und der Georg und Josi Guggenheim Stiftung.